Dörte Kohbrok engagiert sich ehrenamtlich

Interview-Reihe DIE HOLMBROOKER


Was hat dich bewogen, hier am Holmbrook innerhalb der Nachbarschaftsinitiative „DIE HOLMBROOKER“ ehrenamtlich zu arbeiten?

Dörte: „Die Folgeunterkunft Holmbrook liegt in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, und als Pastor Martin Hofmann am Beginn des Jahres 2015 zu einer Informationsveranstaltung in das Gemeindehaus der Christuskirche einlud, habe ich mich gerne für eine Mitarbeit entschieden, weil ich möchte, dass die Menschen in unserem Stadtteil in Frieden und gegenseitigem Respekt zusammen wohnen können. Ich dachte, dass ich vielleicht ein wenig dazu beitragen kann.
Es gibt sicher auch hier im Hamburger Stadtteil Othmarschen Menschen, die Vorbehalte haben Fremden gegenüber. Einen Schritt auf einen Fremden zuzugehen ist eventuell leichter, wenn man sieht, dass eine Nachbarin es auch macht und dass es normal ist, Menschen zu helfen, die in Not sind. Das kenne ich aus meiner Familie: Meine Eltern haben sich ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert, und ich war mit meinen Geschwistern in der Jugendarbeit aktiv.“

Du engagierst dich im Arbeitskreis (AK) Gesundheit. Warum?

Dörte: „In den AK Gesundheit bin ich gegangen, weil mein Beruf als Krankengymnastin das vorgegeben hat. Ich dachte, dass ich dort meine Verbindungen und Erfahrungen nutzen könnte. Die anderen im AK sind Apotheker und Ärzte, das ist auch hilfreich für unsere Arbeit. Krank sein ist für niemanden angenehm, schon gar nicht in einem fremden Land. Die geflüchteten Holmbrook-BewohnerInnen waren und sind dankbar, nicht allein dazustehen, wenn sie in eine Arztpraxis oder ins Krankenhaus müssen.“

Auf welche Erfahrungen innerhalb dieses AK blickst Du zurück?

Dörte: „Mittlerweile kann man hier von einer gelungenen Integration sprechen. Nicht nur in Bezug auf das, was der AK Gesundheit geleistet hat, sondern es haben viele andere aus unserer Nachbarschaftsinitiative „DIE HOLMBROOKER“ geholfen. Die meisten BewohnerInnen können nun selbstständig zum Arzt gehen, sie verfügen über ausreichende Deutschkenntnisse und haben ihre Ärzte gefunden. Es gab bzw. gibt auch keine Probleme mit den umliegenden Arztpraxen – soweit mir bekannt. Über die AOK haben sie zwar nur eingeschränkte Versicherungsleistungen, aber sie sind dennoch grundversichert.“

Du bist auch Vertrauensperson für eine Familie aus Afghanistan. Kannst du diese – ebenfalls ehrenamtliche – Aufgabe genauer beschreiben?

Dörte: „Ich betrachte mich als Ansprechpartnerin und mittlerweile auch als Freundin der Familie. Im vergangenen Jahr habe ich ihnen u.a. bei Deutschkursen, bei der Wohnungssuche und bei der Jobvermittlung geholfen. Oder auch bei Problemen mit dem Telefonanbieter: Zusammen mit dem „AK Recht“ konnten wir dabei helfen, akzeptable Lösungen zu finden. Ich habe auch einen Spendenmitgliedsvertrag beim Altonaer Sportverein (ATV) für sie abgeschlossen. So können sie im Sportverein mit anderen zusammen trainieren.
Ich bin eigentlich regelmäßig einmal pro Woche bei dieser Familie. Wir unterhalten uns dann über ihre aktuellen Bedürfnisse und Fragen, aber auch über ihre Sorgen, Sehnsüchte, Wünsche und das Heimweh. Sie sind auch schon bei mir zu Hause gewesen. Es ist mir wichtig, dass sie wissen, wo ich wohne und dass sie mich besuchen können, wenn sie wollen. Dann bleibt es nicht so einseitig, wenn nur ich sie besuche und den Kontakt zu ihnen halte.“

Du hast dich im Rahmen deiner ehrenamtlichen Arbeit kürzlich für eine Supervision entschieden. Magst du davon erzählen?

Dörte: „Ja. Das kann ich gerne tun. Es sind ja viele Informationen, die man von diesen Menschen bekommt, und oft sind es Kümmernisse und Sorgen, die man ja selber auch
verarbeiten muss.
Diese Menschen wachsen einem an’s Herz. Und manchmal ist man zu nah‘ an allem dran. Dann ist es gut, mit einer „neutralen“ Person sprechen zu können, um eine andere Sicht auf die Geschehnisse zu entwickeln. Das hat mir sehr geholfen. So eine Arbeit ist ja eine große Herausforderung, und manchmal ist man mehr involviert als geplant. Da muss man manchmal lernen, Grenzen zu setzen und nein zu sagen.“

Und du hast zudem jüngst den AK Garten gegründet. Warum?

Dörte: „Den AK Garten habe ich mit anderen zusammen gegründet, weil das Holmbrook-Gelände so kahl ist und es schön wäre, wenn die eine oder andere Pflanze das Gelände verschönern würde.“

Was genau machst du innerhalb dieses AK und mit wem?

Wir sind eine kleine Gruppe aus Nachbarn und Leuten aus den umliegenden Schrebergärten, und wir haben auch Kontakt zur „Motte“, einem Kulturzentrum aus Altona, sowie zu einem Altonaer Gymnasium. Auch aus diesen beiden Einrichtungen sind Angebote gekommen, uns bei der Gartenarbeit zu helfen, und einige BewohnerInnen haben auch geholfen. So zum Beispiel im vergangenen Herbst: Wir haben zwei Hochbeete gebaut und dort Minze und Kräuter gepflanzt. Bei einer anderen Aktion im Herbst 2016 haben wir Blumenzwiebeln gesetzt, die uns hoffentlich in diesem Frühjahr mit Blumen erfreuen werden. Und wir haben schon zwei Beete vorbereitet, auf denen wir zusammen mit den BewohnerInnen nun bald Gemüse pflanzen wollen.“

Gab es im Verlauf der vergangenen Monate auch Zeiten, in denen du überlegt hast, dein ehrenamtliches Engagement zu verkleinern? Oder gar aufzuhören?

Dörte: „Aufhören? Nein! Natürlich gibt es Zeiten, in denen einem die Aufgaben zu viel werden. Man hat ja auch nicht immer gleich für alle Probleme passende Lösungen. Und es ist manchmal auch schwierig, mit den vielen Formalitäten klar zu kommen, bei deren Bearbeitung man den Geflüchteten helfen will. Dann kann man sich aber auch Hilfe aus anderen Arbeitskreisen unserer Nachbarschaftsintiative holen, zum Beispiel vom AK Recht oder vom AK mentoring. Anfänglich war mehr zu tun, aber nun, nach einem Jahr, brauchen uns die BewohnerInnen nicht mehr so. Ich finde, die Integration der Geflüchteten hat am Holmbrook bei vielen Menschen ganz gut funktioniert. Und unsere Aufgaben verändern sich ja auch. Zum Beispiel haben diejenigen, die am Anfang viel Unterstützung beim Deutsch-Unterricht brauchten, mittlerweile unsere Sprache recht gut gelernt und manche haben auch ihre Prüfungen bestanden. Die brauchen nun Hilfe bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einer Arbeitsstelle. In jedem Fall bringt mir diese Arbeit immer wieder viel Freude und ich empfinde es als bereichernd, damit über den eigenen „Tellerrand“ schauen zu können.“

Was würdest du anderen raten, die sich für eine solche Aufgabe interessieren?

Dörte: „Man sollte sich, bevor man so eine Aufgabe übernimmt, ehrlich fragen, wie viel Zeit, Geduld und Kraft man aufbringen kann und will. Ob man kurze Aktivitäten – z.B. mit Kindern während der Schulferien mal Fußballspielen – oder ein regelmäßiges, längerfristiges und verbindliches Engagement in einem Arbeitskreis, im Café oder für einzelne Personen bzw. Familien übernehmen will. In jedem Fall ist eine solche Aufgabe aus meiner Sicht eine Bereicherung, weil man wunderbare Menschen kennen und schätzen lernt: nicht nur die aus anderen Ländern, sondern auch die engagierten Leute aus unserer Nachbarschaftsinitiative „DIE HOLMBROOKER“.“