© Eugenia Loginova
Das Online-Magazin www.FLUECHTLING-MAGAZIN.de hat Ahmad, der mit seiner Familie am Holmbrook lebt, interviewt. Ahmad erzählt, warum er aus Syrien geflüchtet ist und wie schwierig seine Familienzusammenführung war. Mit freundlicher Genehmigung des Magazins dürfen wir hier Ahmads Geschichte zitieren:
„Jetzt kann ich Integration schaffen, denn nach 2 Jahren ist meine Familie endlich in Deutschland! Ohne meine Familie war ich nicht in der Lage, etwas zu tun. Ich habe immer nur an sie gedacht.“
Ahmad, 39 Jahre alt, aus Syrien, hat 15 Jahre als Elektriker in Saudi Arabien gearbeitet. Dort hat er mit seiner Familie auch gelebt. Mit seiner Frau Sinam (30), und seinen beiden Söhnen Ivan (6) und Raman (4) wohnte er zusammen im Ort Rafha in Saudi Arabien, ca. 800 Kilometer von Riad entfernt.
Im Oktober 2014 erhielt Ahmad die Nachricht, dass sein Vater in Syrien ins Gefängnis gekommen sei. Sofort kehrte er nach Syrien zurück, seine Familie blieb in Saudi Arabien. Als er in Al-Qamischli in Syrien ankam, wurde auch er verhaftet und musste 15 Tage im Gefängnis verbringen. Seine Familie schaffte es , ihn mit einer hohen Geldzahlung frei zu bekommen. Aber er hatte keinen Pass, keine Papiere mehr, die waren ihm bei seiner Verhaftung abgenommen worden. Ahmad konnte ohne Papiere nicht mehr nach Saudi Arabien zurückkehren. Er war sehr verzweifelt: seine Frau und Kinder in Saudi Arabien, der Vater in Haft, Krieg in Syrien….
Er entschloss sich schweren Herzens nach Deutschland aufzubrechen, denn dort hatte er Freunde und weitere Familie aus Syrien. Über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Österreich gelangte er nach einem Monat nach Deutschland. In Bulgarien wurde er von Polizisten geschlagen. Es war eine furchtbare Flucht. Zuerst kam er nach München und dann weiter über Köln und Dortmund nach Hamburg, wo er im Februar 2015 eintraf. Er wurde als Flüchtling anerkannt und stellte in der vorgeschriebenen Zeit sofort einen Antrag auf Familienzusammenführung. Seine Frau und die beiden Kinder sollten ihm so schnell wie möglich folgen. Sie hatten dann in der Deutschen Botschaft in Riad einen Termin im Juni 2015. Es war für sie sehr mühsam, nach Riad zu gelangen. Als Frau mit zwei kleinen Kindern konnte Sinam nicht allein dorthin reisen, sie musste von einem Mann begleitet werden. „Ich durfte überhaupt nicht allein in Saudi Arabien auf die Strasse gehen, einkaufen. Die Kinder waren immer im Haus, haben viel geweint, wollten zu ihrem Vater“. In Riad erhielten sie aber noch nicht die ersehnten Visa für Deutschland.
Im November 2015 rief die Deutsche Botschaft aus Riad bei Sinam an und teilte ihr mit, dass sie noch einmal nach Riad kommen sollte. Sinam freute sich, weil sie meinte, dass sie nun die Visa für Deutschland erhalten würden. Aber es gab einen negativen Bescheid.
Saudi Arabien ist ein sogenanntes sicheres Drittland, aus dem eine Zusammenführung der Familie nicht möglich ist. Sinam bekam daraufhin einen Nervenzusammenbruch, die Kinder zeigten auffällige Verhaltensweisen, litten unter Trennungsangst und der ältere Sohn musste ärztlich behandelt werden.
In dieser Zeit veränderte sich auch das Leben von Ahmad in Hamburg: „ Alles war schwarz, wie kann ich ohne meine Familie leben? Ich ging nicht mehr in die Schule, konnte mich nicht konzentrieren, musste in ärztliche Behandlung. Ich habe immer nur an meine Familie gedacht. Soll ich zurück nach Syrien – zur Familie, aber in den Krieg oder soll ich hier bleiben im Frieden, aber ohne meine Familie?“
Ahmad suchte einen Rechtsanwalt auf, der aber in 5 Monaten nichts erreichen konnte und ihm immer nur mitteilte, er müsse warten. Er wechselte den Anwalt. Jetzt wurde eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Berlin gegen das Auswärtige Amt eingereicht: Ist die grundrechtlich geschützte Familie ein höherwertigeres Gut als ein sicherer Drittstaat? Ahmad konnte nicht zu seiner Familie nach Saudi Arabien reisen, er bekam kein Visum für dieses Land. Er verlängerte nur immer alle 3 Monate die Visa seiner Familie gegen entsprechende Zahlung von Gebühren an die Saudi arabische Botschaft in Berlin. Für die Familie war es eine furchtbare Zeit: Sinam war in Saudi Arabien zwar sicher, aber hatte keinerlei Freiheiten als Frau. Der ältere Sohn durfte nicht in die Schule gehen. Alle vier waren traurig, deprimiert, ohne Hoffnung. Die Mühlen der deutschen Gerichte arbeiteten langsam.
Im Februar 2017 wurde Sinam mit den beiden Kindern aus Saudi Arabien nach Syrien abgeschoben. Ihre Visa wurden nicht mehr verlängert.
Jetzt konnte in Deutschland die Klage in Berlin mit einem Eilantrag geändert werden: der sichere Drittstaat war weggefallen, die Familie war in einem zur Zeit sehr gefährlichen Teil von Syrien. Ahmad lebte in größter Angst und Unsicherheit um seine Frau und Kinder in Hamburg. Seine Freunde haben ihn unterstützt, ihn immer wieder aufgerichtet.
Und dann ging alles sehr schnell: Im Juni 2017 gibt es einen gerichtlichen Vergleich: Ahmads Familie erhält ein Visum zur Einreise nach Deutschland. Sie müssen zur Deutschen Botschaft nach Beirut kommen und dann gleich von dort nach Deutschland weiterfliegen. Ahmad bucht ihnen einen Hin-und Rückflug von Syrien nach Beirut und ein Hotelzimmer dort. Innerhalb von ein paar Tagen halten die drei ihre Pässe mit den Visa in den Händen und fliegen am 24.8.2017 über Amman nach Berlin. Nach zwei Jahren des angstvollen Wartens liegen sich alle tränenüberströmt aber überglücklich in den Armen.
Ivan geht zur Vorschule, Raman in die Kita, Sinam macht einen Deutschkurs, der von Ehrenamtlichen organisiert ist. Wenn sie ihren Aufenthaltstitel hat, will sie einen Integrationskurs machen.
Jetzt geht für die kleine Familie das gemeinsame Leben in Deutschland los, bestimmt sind sie schnell integriert.